© 1997 Oliver Baumann • Ermenegildo Bidese |
Remigius Geiser, Salzburg (Österreich/Austria)
Grundkurs in klassischem Zimbrisch:
4. Lektion: Hauptwörter
Die zimbrischen Hauptwörter sind den schriftdeutschen nicht unähnlich:
Es gibt drei Geschlechter, Einzahl und Mehrzahl, und vier Fälle. In der Einzahl ist jedoch der zweite Fall der männlichen und sächlichen Hauptwörter heute ungebräuchlich, weshalb er in der Hauptworttabelle nur in Klammern angeführt und hier im Text nicht weiter behandelt wird.
Für alle Geschlechter, Fälle und Zahlen gilt:
Geht der Endung -en ein einzelnes -l- oder -r- voraus, dann wird statt -en nur ein -n angehängt (z.B. éngelen => éngeln, prüdaren => prüdarn). Geht ihr ein einfaches -n- voraus, dann wird gar nichts angehängt (z.B. süunen => süun).
Befindet sich in der letzten Silbe eines Wortes ein Zwielaut mit a als zweitem Bestandteil, dann verschwindet dieses a und statt dessen wird der erste Bestandteil des Zwielautes verdoppelt, falls die betroffene Silbe nicht mehr die letzte des Wortes ist (z.B. hiart => hiirte).
Die schwachen männlichen Hauptwörter haben immer die Endung -en außer im ersten Fall der Einzahl, wo sie stattdessen -o oder -e haben. An dieser Endung -o oder -e erkennt man, dass sie schwach gebeugt werden (okso, puube, mùntzalo, khàttaro, haano).
Die männlichen Hauptwörter, die im ersten Fall der Einzahl nicht auf -o oder -e enden, werden stark gebeugt (aatom, éngel, pruudar, sun, hiart).
Diese starken männlichen Hauptwörter haben in der Mehrzahl oft einen anderen Wortstamm als in der Einzahl, so dass man beim Erlernen dieser Wörter nicht nur den ersten Fall der Einzahl, sondern auch der Mehrzahl lernen muss. Dieser erste Fall der Mehrzahl endet immer auf -e, ebenso wie der zweite und vierte. Hängt man statt dieses -e ein -en an, erhält man den dritten Fall der Mehrzahl.
In der Einzahl der starken männlichen Hauptwörter lautet der vierte Fall stets genau so wie der erste. Der dritte Fall der Einzahl lautet so wie der erste Fall der Mehrzahl, jedoch ist der betonte Selbstlaut der selbe wie im ersten Fall der Einzahl.
Die schwachen weiblichen Hauptwörter haben immer die Endung -en außer im ersten und vierten Fall der Einzahl, wo sie stattdessen -a haben. An dieser Endung -a erkennt man, dass sie schwach gebeugt werden (naasa, khàmara, schòona).
Endet ein schwaches weibliches Hauptwort im ersten und vierten Fall der Einzahl auf ein unbetontes -ala, dann endet es statt dessen im dritten Fall der Mehrzahl auf -eln und in allen übrigen Fällen auf schlichtes -el (àksala).
Die weiblichen Hauptwörter, die im ersten Fall der Einzahl nicht auf -a enden, werden stark gebeugt (nacht, sünte, muutar, tümpel).
Diese starken weiblichen Hauptwörter haben in der Mehrzahl oft einen anderen Wortstamm als in der Einzahl, so dass man beim Erlernen dieser Wörter nicht nur den ersten Fall der Einzahl, sondern auch der Mehrzahl lernen muss. Dieser erste Fall der Mehrzahl endet immer auf -e, ebenso wie der zweite und vierte. Hängt man statt dieses -e ein -en an, erhält man den dritten Fall der Mehrzahl.
In der Einzahl der starken weiblichen Hauptwörter lautet der vierte Fall stets genau so wie der erste. Der zweite und dritte Fall der Einzahl lautet so wie der erste Fall der Mehrzahl.
Die weiblichen Hauptwörter mit der Nachsilbe -khot (d. -keit, -heit) bleiben in sämtlichen Fällen ohne Endung (sélikhot).
Die schwachen sächlichen Hauptwörter haben immer die Endung -en außer im ersten und vierten Fall der Einzahl, wo sie stattdessen -e haben (óoge). Hierher gehören insbesondere die zahlreichen Verkleinerungsformen mit -le im ersten und vierten Fall der Einzahl und -len in allen übrigen Fällen (hüntle).
Alle übrigen sächlichen Hauptwörter werden stark gebeugt, man muss beim Erlernen dieser Wörter nicht nur den ersten Fall der Einzahl, sondern auch der Mehrzahl lernen, und man unterteilt sie in zwei Gruppen:
In der ersten, kleineren Gruppe sind alle Fälle gleich und ohne Endung, mit Ausnahme des dritten, wo in der Einzahl ein -e und in der Mehrzahl ein -en angehängt wird (ròss, bóart).
In der zweiten, weit größeren Gruppe wird in der Mehrzahl die Endung -ar oder -dar angehängt, im dritten Fall der Mehrzahl dazu noch ein -n (baip, mézzar, lant, pòan, khraütze).
In der Einzahl dieser starken sächlichen Hauptwörter lautet der vierte Fall stets genau so wie der erste. Der dritte Fall der Einzahl lautet so wie der erste Fall der Mehrzahl, jedoch ist der betonte Selbstlaut der selbe wie im ersten Fall der Einzahl (aber unter Beachtung der obigen Zwielaut-Regel!), und statt -ar oder -dar wird nur ein -e angehängt.
Wie die meisten europäischen Sprachen, kennt auch das Zimbrische etliche unregelmäßige Hauptwörter, deren Beugung nicht nach festen Regeln abgeleitet werden kann. Man muss diese Formen entweder stur auswendig lernen, oder (was der weitaus angenehmere Weg ist) man entwickelt automatisch ein Sprachgefühl für diese Formen im Verlauf der fortgesetzten Beschäftigung mit dem Zimbrischen.
Zum Abschluss des Kapitels "Hauptwörter" noch ein nützlicher Kunstgriff. Falls du irgendein Hauptwort nicht auf zimbrisch weißt, dann mach es doch wie die Zimbern selbst: Nimm einfach das entsprechende italienische Wort und "verzimbere" es!
So werden die Endungen der italienischen Hauptwörter ins Zimbrische umgewandelt:
-o > -o
-a > -a
-e > --
-one > -uun
-ore > -oar
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